Pierre Joseph
Joseph, Pierre, franz. Konzept- und Video-künstler, Interventionen im öffentlichen Raum, *3.4.1965 in Caen (Calvados), Frankreich, lebt und arbeitet in Annoville (Normandie) und Paris.
Von 1984-89 studiert er an der Ecole des Beaux Art de Grenoble und erhält das DNSEP (Diplome National Superieur d'Expression Plastique). Zwei Residenzen sind entscheidend für sein Werk: 1990-92 Villa Arson, Nizza und 1997 Arcus Project in Moriya, Japan. Seit 1999 Professor an der Ecole des Beaux-Art de Montpellier. Dass er 1990 den Prix Flaine gemeinsam mit Philippe Parreno erhält, ist für seine Arbeitsweise bezeichnend: zw. 1988-94 entwickeln sie, zus. mit Dominique Gonzalez-Foester und Bernhard Joisten, ein Künstlerkollektiv, welches in loser Verbindung gemeinsame und auch individuelle Werke produziert. Eine zentrale Rolle spielt die Erkundung der Beziehungen zwischen Popkultur und Kunst. Science-Fiction Helden, Techno und Rap bestimmen die Bildsprache, Virtualität und Realität werden ineinander verwoben. J. entwickelt sein Werk um drei Themen: das Spiel als ästhetischen Rahmen, die Interaktion mit dem Betrachter und seine „personnages à réactiver“. Bei lätzeren handelt es sich um Darsteller, die wie Skulpturen an Ausstellungseröffnungen mit anderen Exponaten „ausgestellt“ werden. Am Tag darauf ist nur noch ein Foto zu sehen. Ein Käufer erwirbt das Recht die Szene in einem anderen Kontext nach seinem Gutdünken zu reaktivieren. Dieser Werkkomplex trägt den Namen Little Democracy und wird von J. mit immer neuen Charakteren fortgeführt. 2013 wird er zur Biennale von Belleville Casque d’Or darstellen, eine Prostituierte die in diesem Viertel lebte. Durch die Reaktivierung der Charaktere in einem anderen Kontext werden neue Zusammenhänge hergestellt. Das Museum wird zum Ort neuer Begegnungen zw. Sammler und Werk, Lebewesen und Objekt, Realität und Second Life, Popkultur und Minimal Art, Werk und Ausstellungskontext. In Japan wird J. mit der Situation konfrontiert weder sprechen noch schreiben zu können. Er lässt sich ein Buch vorlesen, das er nicht versteht und erlebt die von Jacques Rancières in Der unwissende Lehrmeister geschilderte Situation der Verständigung ohne Verständigungsmöglichkeit. Lehrer und Lehrender werden gleichgesetzt, ein demokratischer Prozess. Daraus entwickelt J. eine Werkgruppe, die sich mit dem Lernprozess und der Vermittlung auseinanderetzt. Erste Präsentation 1998 in seiner Galerie Air de Paris, später bei l’Ecole de Stéphanie 2006 im Grand Palais, Paris (K). J. verwendet eine Bildsprache, die als Ikonographie des 20. und 21. Jhs. anzusehen ist und konfrontiert sie mit althergebrachten Motiven, wie in Si ce monde vous déplait. Er hinterfragt die Rolle der Skulptur und ihrer Dauerhaftigkeit mit den personnages à réactiver, wodurch eine Parallele mit Erwin Wurm festzustellen ist. Auch die Rolle der Autorschaft stellt sich neu, wenn er die Entwicklung des Werkes den von ihm eingeladenen Künstlern überlässt.
Sammlungen:
Marseille, FRAC Provence-Alpes-Côte d´Azur ; Metz, FRAC Lorraine ; Montpellier, FRAC Languedoc-Roussillon ; Reims, FRAC Champagne-Ardenne ; Sète, CRAC ; Villeurbanne, Institut d´art contemporain - FRAC Rhône Alpes
Einzelausstellungen:
1990 Nizza, Air de Paris : Les Ateliers du Paradise, mit Philippe Perrin und Philipe Parreno
1991 Nizza, Villa Arson : No Man’s Time
1995 Reims, FRAC Champagne-Ardennes/Tarbes, Le Parvis : Personnages à réactiver (K)
1997 Tours, Centre de création contemporaine CCC : Little democracy
2002 Le Havre, Le Spot und 2006 London Tate Modern : La théorie du trickster, mit Mehdi Behiaj Kacem
2003 Paris, Palais de Tokyo : Action retreinte
2006 Angouleme, FRAC Poitou-Charentes : Si ce monde vous déplait
2010 Paris, Air de Paris : From Apple Core to Glass
Gruppenausstellungen:
2000 Paris, Centre Pompidou : Au-delà du spectacle (K)
2002 Eindhoven, Van Abbemuseum, San Francisco, SFMOMA, Zürich, Kunsthalle : No Ghost just a Shell (K)
2003 Frankfurt a. M., MMK : Das lebendige Museum, Berlin, KW : Animations (K)
2007 Lyon, Institut d’art contemporain Villeurbanne : 9e Biennale d’art contemporain : 00s – l’Histoire d’une décennie qui n’est pas encore nommée (K)
2007 Athen, The 1st Athens Biennal : Destroy Athens (K)
2010 Bonn, Bundes- Kunst und Ausstellungshalle : Neugierig ? – Kunst des 21. Jahrhunderts aus privaten Sammlungen (K)
2011 Lille, Tripostal, Collector : Œuvres du Centre national des arts plastiques (K)
2012 Dallas, Dallas Contemporary : Dallas Biennal
Bibliographie :
Pierre Joseph, Oui, non, peut-être, catalogue raisonné (WV mit zahlreichen kritischen Beiträgen), Les presses du réel, Dijon 2011, 448 S. Hier vollständige bibliographische Angaben
Lionel Bovier/Clément Dirié, Pierre Joseph, A selective overview of the artist's production, JRP Ringier, Zürich 2012, 64 S.
Online: kunstaspekte.de
Danièle Perrier für das AKL Februar 2013