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Es gehört zu Liliana Basarabs Konzept, Akteure und das Publikum in ihre Aktionen einzubeziehen. Dabei geht es um die Darstellung abstrakter Begriffe wie „Wahrheit“ oder „Schönheit“. In Bad Ems ging es um den Begriff „Individualismus“. Die Aktionen können sich über unterschiedlich lange Zeiträume erstrecken und in verschiedenen Städten beziehungsweise Ländern erfolgen. Auch die eingesetzten Mittel variieren: Hier müssen Akteure mit dem Prinzip des Scharade-Spiels den Begriff „Wahrheit“ wortlos erklären, dort müssen sie den Begriff „Schönheit“ mit Wort oder Bild auf einer an die Künstlerin adressierte Postkarte erläutern. Durch dieses Procedere zwingt sie die Beteiligten, sich aus den gängigen Klischees die eigene Vorstellung von Begriffen zu bilden. Es geht ihr dabei um die Bewusstwerdung von Normen und Werten, die beständigen Veränderungen und Beeinflussungen unterworfen sind.

Auch die Bevölkerung von Bad Ems und Umgebung beteiligte Liliana Basarab an ihrer Arbeit. Auf der Suche nach der Person, die in Bad Ems am besten den Begriff des Individualismus darstellt, hinterlegte sie Fotografien von männlichen und weiblichen Kandidaten auf ihrer Homepage im Internet und rief zur Wahl auf. Im Bewusstsein, dass diese demokratische Prozedur gerne Manipulationen unterliegt, ließ sie die Software so programmieren, dass ein fairer Wahlprozess garantiert und Mehrfachwahlen durch dieselbe Person ausgeschlossen wurde. Eine Frau gewann; Basarab fertigte ihre Büste in Keramik und ließ sie als Frau Individualismus im Garten von Balmoral aufstellen. Das Monument wurde offiziell durch Bürgermeister Canz enthüllt und eingeweiht.

Parallel zu dieser Keramik entstanden andere, die aufschlussreich für Basarabs Verständnis von gesellschaftlichen Abhängigkeiten sind. Es sind kleine Tischskulpturen, die an jene der Wiener Werkstätte erinnern; zum Beispiel japanische Sandalen einer vierköpfigen Familie, die nebeneinander stehen. Allerdings verbindet der hintere Riemen alle Sandalen zusammen, sodass kein Mitglied der Familie einen Schritt ohne die anderen machen könnte. Ebenso stellt sie zwei Fußballer der gegnerischen Mannschaften dar; allerdings teilen sie sich das mittlere Bein, als Ausdruck der Interdependenz der beiden Mannschaften: denn fällt die eine weg, gibt es kein Spiel!

Danièle Perrier, in Balmoral Jahrbuch 2008/2009, km 500/2, S. 29