Laura Bruce. Carl
Carl
Carl: das ist der lapidare Name, den Laura Bruce dem Protagonisten der Umschlagseite ihres Katalogbeitrags gibt. Damit ist eines dieser Wesen gemeint, die auf kleinformatige Schwarz-Weiß-Zeichnungen verewigt, einen Gegenpol zu den großformatigen Landschaftsbildern darstellen, oder besser gesagt, diese inhaltlich ergänzen. Während die monumentalen Landschaften den Blick fesseln und den Betrachter tief in einen Wald entführen, dessen Blattwerk oft die ornamentale Faszination des Jugendstils ausübt, so sind die „hingerotzten“ kleinen Wesen, die oft ausgefransten Papierblättern geisterhaft zu entsteigen scheinen, echte Quälgeister. Sie scheinen die beim ersten Blick so einsamen Waldlandschaften zu bewohnen, die selbst dort, wo Häuser im Hintergrund zu sehen sind, verwunschen wirken. Dies liegt daran, dass Bruce die Horizontlinie hochzieht, die Bäume bis über den Bildrand hinaus wachsen lässt und dadurch deren Monumentalität gegenüber den Häusern unterstreicht. Außerdem drängt sich das Blattwerk der hinteren Bäume in den Vordergrund und verschlingt sich ornamental mit jenem der vorderen Ebene; oder die Hintergrundmotive sind so intensiv schwarz, dass sie sich ebenfalls nach vorne drängen. Eigentlich kennt Bruce nur die Fläche und so gibt es kein Dazwischen und keinen Lebensraum in dieser zugleich verlockenden und unwirtlichen Natur.
Das Experimentieren mit dem Holzschnitzen führt in den Zeichnungen zu einer Veränderung: Statt die Blätter als einzelne Teile aus der Nahsicht zu behandeln oder die Baumkronen als schwarze Massen, werden diese von wehenden Linien gebildet. Es sind nur einzelne Bäume, die so behandelt sind, meistens jene, die im Hintergrund stehen. Sie bringen Dynamik ins Bild, drängen sich wirbelnd nach vorne und vermitteln den Eindruck einer besessenen Natur, die droht, aus den Fugen zu geraten, wie in Bubble: explosionsartig platzt die Blase und projiziert einen giftigen, pistaziengrünen Schatten auf den Boden und die gegenüberliegende Wand. Die immanente Gefahr drückt sich auch in der Wahl der Titel wie Flood, Falling, Burn aus.
Bruce versetzt den Betrachter in eine irreale Welt: Faszination und Bedrohung sind mit den Emotionen, die man im Kino erlebt, verwandt. Die latenten Katastrophen sind auf die Leinwand, respektive auf die Papieroberfläche gebannt. Darauf verweist auch die Dramaturgie und Aufmachung der Titelseite, die The Castle drawings ankündigt, als würde es sich um ein Drehbuch handeln. Zu dieser kinematographischen Sicht passt auch die Tatsache, dass Bruce der Post-Country-Band Dangerpony angehört.
Danièle Perrier, in: Balmoral Jahrbuch