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Cony Theis

Ausstellung Transmission, NASPA Wiesbaden 2010

Cony Theis präsentiert eine skulpturale Installation von 24 Kissen aus Beton sowie Papierarbeiten, die Badeszenen und Wolkengebilde darstellen. Kleine Zierkissen, mit denen die Vorstellung von Gemütlichkeit und Geborgenheit assoziiert wird, sind aus Beton geformt und an die Wand gehängt. Durch die dreidimensionale Ausgestaltung täuschen sie beim ersten Hinschauen vor, dass es sich tatsächlich um Gebrauchsobjekte handelt. Ein Eindruck, der durch den seidigen Glanz der Wachsoberfläche, welche die Farben zum Leuchten bringt, verstärkt wird. Die wie in einem Kaufhaus, in Reih und Glied präsentierten Kissen sind zugleich skulpturale Installation und Bild: die einzelnen Teile verwandeln sich im Verbund mit der Wand zu farbigen Quadraten eines geometrischen Bildes, wobei die verschiedenen Kissen unterschiedliche Farbnuancen vertreten.

Die Skulpturen täuschen reelle Objekte vor, die installativ präsentiert werden, selbst jedoch zum Bild mutieren. Die Verschiebung der Sinneswahrnehmung ist ein Merkmal, das sich faktisch in jeder Arbeit von Cony Theis wiederfindet. So auch in den beiden, hier gezeigten, Bilderserien der Badeszenen und Wolkenbilder. Thematisch stehen die Bilder in der Tradition der Pleinairmalerei. Bei den Badeszenen denkt man unwillkürlich an die Strandbilder von Eugène Boudin. Es handelt sich dabei allerdings nicht um ein kunsthistorisches Zitat wie dies bei der, in Balmoral begonnenen, Goya-Serie der Fall ist. Vielmehr liegen hier Ferienerinnerungen zugrunde: schnell geknipste Urlaubsaufnahmen werden malerisch umgesetzt.

Worauf es Theis ankommt ist, die Körperhaftigkeit der Wolken und die Kraft der Wellen, beziehungsweise das sanfte Dahinplätschern des Wassers dem Papier abzuringen. Dafür verwendet sie chinesische Tusche und Ölfarbe, die das Transparentpapier durch ihre andersartige Beschaffenheit, den mehr oder minder flüssigen Farbauftrag unter Einbeziehung blanker Flächen verformen: die Bildfläche wölbt sich hier und zieht sich dort zusammen; sie nimmt Volumen an, dies umso mehr, als die Farbe bis zum Rand der Blätter reicht. Die Malerei nimmt damit skulpturale Formen an, gleichzeitig betont dies die Fragilität des Materials und im übertragenen Sinn auch der Vergänglichkeit solch unbeschwerter Lebensmomente.

Danièle Perrier, anlässlich der Ausstellung Transmission geschrieben, nicht veröffentlicht

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Die Genese eines Selbstportraits

Cony Theis

Das zentrale Motiv von Cony Theis ist das Portrait. Im Einsatz als Gerichtszeichnerin vermag sie mit knappen Strichen Ausdruck, Mimik, Posen und die unbewussten Gesten, die ein Individuum charakterisieren, skizzenhaft festzuhalten. Neben den Angeklagten portraitiert sie Richter und Anwälte, versucht als Außenstehende die verschiedenen Persönlichkeitsstrukturen herauszuschälen. Unter ihrem Pinsel wird das Gericht zur Bühne eines Psychodramas. Es entsteht das Portrait einer Kollektivität in all ihren Schattierungen.

Der Gedanke des kollektiven Portraits wird in anderen Arbeiten noch evidenter: wenn zum Beispiel in einem Bild Fragmente verschiedener Personen gemeinsam verarbeitet werden und die unterschiedlichen Identitäten zu einem konstruierten Portrait verschmelzen. Dabei können auch Fragmente von derselben Person zusammengefügt werden: Zeitversetzte Aufnahmen und leicht variierende Haltungen bringen Verzerrungen des äußeren Erscheinungsbildes mit sich, dienen aber der besseren Wahrnehmung tieferer Bewusstseinsschichten.

Von diesem Standpunkt aus versteht sich, wie es zu den Gegenüberstellungen ihrer eigenen Person mit gemalten Portraits bekannter Künstler und Künstlerinnen kommt. Zum einen kopiert sie, wie üblich skizzenhaft, das Originalbild - und dies auf ihren eigenen Schenkel. Es kann als eine besondere Form der Aneignung angesehen werden, wenn eine Künstlerin anderen ihre eigene Haut „leiht“ und so Verstorbenen wieder Leben und Sinnlichkeit einhaucht. Für einen Moment kommt es zu einer Verquickung der dargestellten Personen mit der Malerin, als wären sie Lebensentwürfe. Damit schafft sie die Voraussetzung für Egalität, wenn sie, im Gegenzug, in die Rolle der Dargestellten schlüpft – ähnlich wie sich Cindy Sherman in ihren frühen Fotografien mit Filmszenen identifizierte. Entschieden anders ist bei Cony Theis die ausdrückliche Einladung das Modell und das nachgestellte Bild, die gleichwertig nebeneinander zu sehen sind, zu vergleichen. Dabei fällt auf, dass sie ihre Vorbilder nicht eins zu eins kopiert, sondern nur wesentliche Elemente, wie Haltung, Gebärden und relevante Details - wie Brillen, eine Kopfbedeckung, ein Kind auf dem Knie - übernimmt. Die Ähnlichkeit der eigenen Gesichtszüge spielt kaum eine Rolle.
Vielmehr nimmt sie sich durch die tägliche Konfrontation mit neuen Persönlichkeiten wahr – der Zyklus heißt nicht umsonst „Worpsweder Tagebuch“ – und zwar durch die Diskrepanz zwischen sich und dem nachgestellten Vorbild. Ein Beispiel: Wie selbstverständlich selbstbewusst fordert die moderne Frau den Betrachter heraus, ihren Busen anzusehen, während Paula Modersohn-Becker in ihrem für die Entstehungszeit mutigen Selbstportrait als Halbnackte weibliche Verletzbarkeit und Mütterlichkeit zum Ausdruck bringt, ein Schicksal, das sie mit Fatalismus hinnimmt. (Worpsweder Tagebuch vom 12.02.2005)

Die zwangsläufig ephemeren Bilder hat Cony Theis in Fotografien festgehalten. Dadurch erst gewinnt der Zyklus die Eigenschaft eines Tagebuches, indem man einmal Gedachtes und momentane Befindlichkeiten nachschlagen kann. Im konkreten Fall kann erst der Vergleich der jeweiligen Diskrepanz zwischen Vorbild und Abbild ein Stück weit die Persönlichkeit der Künstlerin zutage bringen. Doch Achtung: Die Enthüllung kann auch die Verhüllung anderer Eigenschaften nach sich ziehen. Darauf scheint zumindest das letzte Bild der Serie „Dressing (selbstverhüllt/zugeflogen)“, auf welchem Ausschnitte aus den Tagebuch-Fotografien eine Art holländische Haube bilden, die das Gesicht der Künstlerin verhüllt, hinzudeuten.

In Balmoral ist Cony Theis vom Reichtum der Bibliothek beeindruckt. Damit verwandelt sich ihre Annäherung an die Kunstgeschichte. Sie verlässt das Feld der direkten Bezüge und mit ihr der abfotografierten Hautmalerei zugunsten der Zeichnung und Tuschemalerei. Transparentpapier ersetzt die Haut. Es entstehen die „Paseos“ – Spaziergänge in die Kunstgeschichte, vorrangig zu Goya. Figuren erscheinen, losgelöst aus ihrem Kontext. Sie werden mit informellen Farbflecken, Streifen und Schlangenlinien konfrontiert und in fast allen Bildern dieser Serie erscheint ein Hund. Er könnte das Lebendige, das Sinnliche, das Triebhafte, die Suche, die Künstlerin selbst verkörpern. Oft balancieren Zitate aus Goyas „Desastres“ auf von Hunden begehrten Würsten, die vor allem eine formale Funktion im Bild einnehmen und die Spannung zwischen figurativ und abstrakt herstellen. Wichtig ist außerdem die Sensibilität des Trägermaterials, seine Transparenz und Durchlässigkeit, welche das Durchschimmern mehrerer Schichten ermöglichen. Es wölbt und wellt sich unter dem Einfluss der Wasserfarben und kräuselt sich bei dickerem Farbauftrag.

Aus diesen Arbeiten ist die komplexe Installation „Diana, Schnittmuster für ein Brautkleid“ entstanden. Der Bezug eines Brautkleides zu Diana mag erstaunen, da die Mond- und Jagdgöttin als Keuschheitsgöttin bekannt ist. Aufschluss dazu geben die Darstellungen auf den einzelnen Teilen des Schnittmusters, das in losen Bahnen von der Decke herunter hängt und einen Kreis beschreibt. Es sind Portraits von Künstlerinnen und Künstlern zu sehen, wie sie in Büchern abgebildet sind. Sie sind systematisch nach dem Alphabet angeordnet, gestreut von oben nach unten, sozusagen eine alphabetische Legende. Die unterschiedlichen Größenverhältnisse der Portraits sind nicht als persönliche Wertschätzung der Künstlerin zu verstehen, sondern bedingt durch die Ausmaße der Darstellungen in den Monographien, aus denen sie kopiert sind. So kann es vorkommen, dass ein unbekannter Maler groß, ein berühmter hingegen winzig klein dargestellt ist, der eine en Pied, der andere bei der Arbeit und ein dritter beim Reiten; von den meisten ist allerdings nur das Gesicht zu sehen. Jede Bahn ist mindestens aus Kleid und Futter zusammengesetzt, zwischen denen auf transparenter Folie das Schnittmuster selbst durchschimmert. Je nachdem, wie dicht die sich wölbenden Bahnen aneinander liegen, sind manche Portraits genau zu sehen, andere nur verschwommen wahrnehmbar, wobei die Sichtbarkeit auch noch davon abhängt, ob der Betrachter das Schnittmuster von außen anschaut oder von innen, aus der Perspektive der Braut. Was mag es für eine Bewandtnis haben, das sich Künstler und Künstlerinnen um Diana herum scharen? Sind sie etwa als Jagdbeuten der Göttin anzusehen, als Trophäen, wie der Titel des Kataloges anzudeuten scheint? Diana war aber auch Göttin der Fruchtbarkeit und Helferin bei der Niederkunft. Unter diesem Aspekt gewinnt die Installation eine neue Dimension, vor allem im Hinblick darauf, dass das Künstlerhaus Schloß Balmoral in dem es entstand und erstmals präsentiert wurde, früher Villa Diana hieß. Die enge Beziehung die zwischen Kleid und Körper herrscht, ist eine sinnliche; die Tatsache das hier nicht das fertige Kleid, sondern ein Schnittmuster dargestellt ist, zeigt, dass hier nur die Rohstoffe geliefert werden. Die Gedanken müssen diese gestalten, eine Aufforderung, die eigene Kreativität zu nutzen, um Werke zu schaffen und sich seine eigene Kunstgeschichte zu schneidern.

Danièle Perrier, in: Balmoral Jahrbuch 2005/2006, Künstlers (Glücks)spiel, Einzelheft Cony Theis,Trophäen, S. 6

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