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Charakteristisch für die Filme von Aurelia Mihai ist die Verknüpfung verschiedener Blickwinkel. Die Kameraführung entspricht jener von Dokumentarfilmen: frontale Aufnahmen, Luftperspektiven, Totalen, Close-ups. Es handelt sich um inszenierte Geschichten, in denen Realität und Fiktion, Gegenwart und Vergangenheit verschmelzen. Grundlage der Erzählungen sind wahre Gegebenheiten – z. B. die Entdeckung der vergrabenen Pharaonenstadt in der Wüste von Kalifornien, die Cecil B. DeMille als Kulisse für seinen Film Die zehn Gebote errichten ließ – oder auch legendäre Gestalten wie in City of Bucur, in dem der Begründer von Bukarest, der flötenspielende Hirte Bucur mit seiner Herde in die Hauptstadt reist, wo er vor dem von Ceauşescu errichteten Palast, dem Haus des Volkes, gefilmt werden sollte. Das Zusammenführen von vergangenen Traditionen mit unserem zeitgenössischen Umfeld führt zu spannungsvollen, oft skurrilen und humorvollen Szenen, die den Blick für Veränderungen schärfen und die zeitliche Distanz sichtbar werden lassen.

Die Langsamkeit der Kameraführung zwingt das Auge, auf den Bildern zu verweilen und ihre Schönheit wahrzunehmen. In Von Herzen wird das Bild der Protagonistin in ihrer prachtvollen Robe vor einer üppigen Baumkulisse gespiegelt, als wolle Mihai die sich Erinnernde von der Erzählenden unterscheiden und das Verstreichen der Zeit in das bewegungslose Bild einführen.

City of Bucur ist ein Film über die Unmöglichkeit, einen Film zu drehen, weil die Machthaber Rumäniens die Genehmigung für die Dreharbeiten verweigerten. Durch das Stratagem, die Produktion des Films zum Inhalt zu machen, werden zwei Erzählebenen überlagert: Die Dreharbeiten und die eigentliche Geschichte des Hirten, der in der fremden Stadt vollkommen deplatziert und anachronistisch wirkt, einer Stadt, die ihre Eigentümlichkeit aus dem Kontrast zwischen antiken Bauelementen und bunten Werbewänden bezieht, die zudem vom protzigen Haus des Volkes dominiert wird, für dessen Errichtung zahlreiche historische Bauwerke abgetragen wurden. Mit leisem Humor wird der Konflikt zwischen Tradition und Fortschritt sowie die Zweideutigkeit seiner Folgen evident, die zu zahlreichen Debatten im Europäischen Parlament anregen. In der Erzählung des Making-of überlagern sich die Hektik der Dreharbeiten und der gescheiterten Verhandlungen bezüglich der Drehgenehmigung mit den bukolischen Szenen von Bucur. Das am Ende des Films gezeigte Protokoll über die Verweigerung der Dreherlaubnis kommentiert die Verständnislosigkeit gegenüber der Bedeutung von Kultur und die Unerfahrenheit der noch jungen Demokratie in der Republik Rumänien.

Danièle Perrier, in: